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Peru

Lima
Die Buxfavorite hatte mitten in der Nacht in Callao angelegt, meine letzte Nacht an Bord. Der erste Eindruck von Peru sind altersschwache Motorboote. Eins nach dem anderen, schwer mit Bergen von Sardinen manchmal auch größeren Fischen beladen, kommen sie vom Meer herein. Es sind keine Kutter sondern eher Ruderboote mit Motor und völlig verfrorenen Männern, die bis zu den Waden zwischen den Fischen stehen.  Es ist lausig kalt. Callao ist der größte Hafen eines armen Landes, hier gibt es keine modernen Containerbrücken, hier kommen die Bordkräne zum Einsatz. Viele Schiffe liegen auf Reede, die vor Callao gilt als hochgradig piratengefährdet. Wir konnten gleich reinfahren, ist wohl alles eine Frage des Geldes.

Nachdem ich mich von der Besatzung verabschiedet und den peruanischen Zoll überwunden habe, fährt mich ein Mitarbeiter der Hafenagentur zum Hotel San Antonio Abad, dass in den nächsten zwei Wochen meine logistische Basis werden sollte. Es liegt in Miraflores etwa 20 km südlich von Callao. Callao ist eine Ansammlung von Elendsquartieren durch das jeder ausländische Besucher durchfährt, da auch der Flughafen von Lima dort liegt. Miraflores dagegen ist ein Stück Europa in Peru, Designergeschäfte, Banken, Hotels u.v.m. gibt es dort. Zusammen mit dem Nachbarviertel San Isidoro ist es die reichste Quadratmeile Perus. Aber was ist anders als in Europa? An wirklich jeder Ecke im Zentrum steht ein schwerbewaffneter Sicherheitsmensch, natürlich privat organisiert. Die eigentliche Polizei macht verzweifelt durch Leuchtwesten mit der Aufschrift "Policia national" auf sich aufmerksam. Die schmucken Ein- und Zweifamilienhäuser etwas außerhalb sind inklusive Garagen für schicke Mittelklasseautos  mit Stacheldraht und schweren Gitterzäunen gesichert, irgendwo geht immer irgendwann eine Alarmanlage los. Die 2 Prozent Reichen des Landes leben hier und sichern so ihren Reichtum. Fast alle Touristenhotels von Lima liegen hier, mit Miraflores durch eine mächtige Stadtautobahn verbunden. 

In Miraflores gibt es auch arme Leute, dass sind die, die dort arbeiten und abends wieder mit alten qualmenden Micros  in ihre "populationes" fahren. Micros sind altersschwache Busse mit ca. 24 Plätzen meist japanischer Herkunft.  Einen öffentlichen Verkehr mit U-,S- oder Straßenbahnen gibt in der Megastadt Lima, 9 bis 15 Millionen Einwohner (keiner weiß es), nicht. Dabei hatte die Stadt mal eine funktionierende Straßenbahn. Die weiteren Tage in Lima bestätigen alles, was man über Megastädte in der sogenannten Dritten Welt schon mal gehört hat. In jede der drei möglichen Richtungen, entlang der Panamericana Straße nach Norden und Süden sowie dem Rimac-Tal in die Anden hinein, dehnen sich ohne Ende die Slums. Die selbstgebauten Häuser stehen auch auf Bergkuppen und Dünen. Man fährt in jeder Richtung 2 Stunden und ist immer noch in Lima. Und immer ist der Himmel wegen des Garrua bedeckt, im Winter (Juli,August) ist der Nebel permanent. Irgendwie macht diese Stadt depressiv.

Und dennoch: die Stadt hat viel zu bieten: Die Ruinen von Pachacamac zum Beispiel, dass einzige nicht von Slums bedeckte Gelände ca. 20 km südlich von Miraflores über dem Pazifik. Lange vor den Inkas entstanden ist es wie alle alten und viele heutige Gebäude aus "adobes", luftgetrockneten

Die Liebenden  -  Kunst über dem Pazifik  -  antidepressiv

Ziegeln, erbaut. Da es fast nie regnet, sind sie gut erhalten. Ein sehr guter Führer hat uns hier ausführlich die Praxis der Menschenopfer in der präkolumbianischen Zeit erklärt.

Lima hat außerdem drei ausgesprochen sehenswerte Museen:

-   das Museo del Oro  (Goldmuseum ) mit der landesweit größten Sammlung von Gold - und Silberschmuck

-   das Museo Archeologico bietet einen sehr guten Überblick über die gesamte Geschichte und Kultur Perus

-   das Museo Larco, ein privates Museum u.a. mit einer riesigen Sammlung erotischer Keramik der Moche-Kultur

Spätestens hier wird klar, dass Peru eben sehr viel mehr zu bieten hat als die Kultur der Inka oder die der Kolonialzeit. Die Anfänge gehen bis ca. 1500 vor Chr. zurück. Peru, dass ist Antike und Mittelalter, Griechenland und Italien in einem Land, kein anderer Staat in Südamerika hat einen solchen Reichtum an archäologischen Schätzen zu bieten. Diese Erkenntnis ist den Köpfen amerikanischer und europäischer Touristen kaum verankert, für die meisten ist Peru eben das Land der Inka und der Conquistadoren.

Sicherlich hat Lima auch ein beeindruckendes koloniales Stadtzentrum zu bieten, eine Menge prächtiger Bauten einschließlich des Präsidentenpalastes und anderer Regierungsgebäude. Auch der über 100 Jahre alte Bahnhof Desamparados zählt dazu. Aber warum wirkt das Zentrum von Lima am frühen Morgen und schon am frühen Abend wie ausgestorben, warum gibt es dort kaum Hotels? Nur am Mittag, wenn die Busse der Stadtrundfahrten kommen, flanieren die Touristen. Weil die Altstadt mittlerweile einen potiomkinschen Charakter hat. Die Bausubstanz ist so marode, dass von vielen Gebäuden nur noch die Fassade wegen der Touristen gepflegt wird. Niemand investiert in die Häuser, zu teuer, die Rendite ist nicht gegeben. In Lima werden Shoping Malls, Luxushotels und Autobahnen gebaut, aber die Altstadt wird nicht renoviert.

Ich habe die Stadt dann mit dem Nachtbus Richtung Norden verlassen, um die Städte Trujillo, Chiclayo und Cajamarca zu besuchen. Die Überlandbusse, zumindest die der Gesellschaft "Cruz del Sur" sind komfortabel, es gibt eine erste Klasse mit drei Sitzen pro Reihe, Stewardessen oder Stewards bringen Schlafdecken und abgepacktes Essen wie im Flugzeug. Zwei Fahrer wechseln sich ab, der Fahrstil ist moderat. Aber etwas hat mich, völlig unvorbereitet, fast um den Verstand gebracht. Die Busse haben Fernseher mit Lautsprechern, die sich nicht abstellen lassen. Gezeigt werden die miesesten Aktionsfilme aus Hollywood, durchschnittlich 100 Tote pro Stunde. Meine peruanischen Mitreisenden können bei diesem Krach wunderbar einschlafen, aber ich nicht. Und Ohropax hatte ich leider zu Hause vergessen. Um 1 Uhr nachts war der Film zu Ende und ich kam mit einem Schlafdefizit in Trujillo an.

Trujillo

Trujillo ist mit immerhin 1 Mio. Einwohnern die drittgrößte Stadt Perus, wirkt aber samt seiner schönen kolonialen Innenstadt recht verschlafen. Letztere ist wirklich gut erhalten und auch alleine einen Besuch wert. Aber die eigentlichen  Sehenswürdigkeiten liegen im Umfeld der Stadt. Östlich der Stadt liegt der Huaca de la Luna  (Mondtempel).

Er ist mit seinen Wandfresken eines der besterhaltensten Gebäude der Moche-Kultur. Die ist nach einem Fluss benannt, der in der Nähe die Wüste durchquert und wenige Kilometer weiter in den Pazifik fließt. Die unglaublichen erotischen Keramiken aus dem Museo Larco waren mir noch sehr präsent. Diese Kultur hat zwischen 200 vor bis ca. 200 nach Chr. existiert. Gegenüber den Huaca de la Luna liegt der Huaca de Sol, er ist viel höher als der Mondtempel, aber bisher nicht zugänglich.

Westlich von Trujillo liegt Chan Chan. Es war die Hauptstadt des  Chimu- Reichs, das etwa zeitgleich zum Inka-Reich existiert hat. Heute ist es das größte Ausgrabungsfeld Südamerikas. Die wiederhergestellten Bauten sind sehr imposant und brauchen keinen Vergleich mit den Ruinen der Inka scheuen, wenngleich die Luftziegelbauweise natürlich einen völlig anderen Charakter hat als die Bauweise der Inka, die im Hochland schwere Steinblöcke verwendet haben. Chan Chan wurde jahrelang von den Inka belagert, erst seine Eroberung machte den Weg frei für das riesige Imperium der Inka, dass gerade einmal 40 Jahre vor der Landung der  Spanier seine maximale Ausdehnung ereicht hatte und von Ecuador im Norden bis Zentralchile im Süden reichte.

Etwa 70 km weiter nördlich liegt die jüngste Ausgrabungsstätte El Bruijo direkt am Pazifik in der Wüste in der Nähe der Ortschaft Cao. Es gibt dort mehrere Huacas, denen bisher hauptsächlich Grabräuber ihre Aufmerksamkeit schenkten. Dort wurde vor wenigen Jahren das unversehrte Grab einer weiblichen Herrscherin entdeckt, schätzungsweise 2000 Jahre alt. Die Entdeckung der Senora de Cao gilt als archäologische Sensation. Bisher war man davon ausgegangen, dass Herrscher in dieser Region immer männlich waren.

Hoffentlich wird der Senora de Cao dieselbe hohe Aufmerksamkeit zuteil wie dem Senior de Sipan, den in Peru jedes Schulkind kennt. Es ist das größte bisher gefundene Grab eines Herrschers in Peru. Solche Gräber haben riesige Dimensionen. Starb er, so war auch das Leben der Ehefrauen, der Wächter, der Haustiere beendet. Sie wurden mit ihm zusammen beerdigt, außerdem kamen alle Schmuckstücke, aller Hausrat, kurz alles, was der Person lieb und teuer war, mit ins Grab. Da es keine Schrift gab, wissen wir etwas über die südamerikanischen Zivilisationen durch die Gestaltung der Gräber, durch die Bauten und die Keramiken. Die Fundstätte des Senior de Sipan liegt ca. 4 Busstunden nördlich von Trujillo in der Nähe des Städtchens  Lambayece. Dort hat der peruanische Staat mit großem Aufwand ein Museum für den Senior gebaut, museumstechnisch hervorragend gemacht. Neben Lambayece liegt auch Tucume, ein riesiges Pyramidenfeld, das durch den Norweger Thor Heyerdahl bekannt wurde.

Lebensgrundlage  aller Zivilisationen in der Wüste entlang der Pazifikküste sind die Flüsse, die aus den Anden kommen und meist ganzjährig Wasser führen. Die öde Schutt- und Geröllwüste wird alle 30 bis 40 Kilometer durch eine Flussoase unterbrochen. Heute haben diese Flussoasen die Breite von mehreren Kilometern erreicht, da jeder Tropfen für den Anbau von Spargel, Zuckerrohr, Paprika und anderem Gemüse verwendet wird. Intensivlandwirtschaft für den Export also, viele Menschen aus dem Hochland ziehen hierher und bauen ihre Hütten in der Wüste neben der Oase.

Cajamarca

Das Landschaftsbild ändert sich radikal, sobald man die Anden erreicht. Mein erstes Ziel dort war die Stadt Cajamarca. Sie liegt auf einer Höhe von etwa 2000 m, hier regnet es zwischen November und März recht häufig. Die Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik verläuft in der Nähe auf durchschnittlich 3500 m Höhe. Der Inka Trail, der das ganze Reich von Ecuador bis Chile über Cusco miteinander verband, lehnt sich an diese Wasserscheide an. In Cajamarca hatten die spanischen Eroberer den letzten Inka Atahualpa gefangen genommen. Er war hier zur Kur im Banjo del Inca, dessen heiße Quellen große Heilkraft haben sollen. Die Spanier hatten ihn in einem Raum in der Nähe des heutigen Plaza de Armas festgesetzt. Er versprach ihnen, den Raum vollständig mit Gold füllen zu lassen, wenn sie ihn freiließen. Das Gold wurde herbeigeschafft, er wurde trotzdem wegen "Verrats" auf dem Platz mit der Garrotte hingerichtet. Dieser Raum gilt neben dem Banjo als wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt.

Außerhalb der Stadt über Schotterpisten zu erreichen liegt auf 3600 m die Cumbe Mayor. Neben gewaltigen vulkanischen Steinformationen gibt es dort einen in Stein gehauenen Kanal, eher ein Graben, mit dem Wasser zu rituellen Zwecken von der Atlantik- auf die Pazifikseite geleitet wurde. Bewässert wurde dort oben nichts, die Bedeutung der Kulthandlung bleibt bis heute unklar. Und dann gibt es noch Porcon, ähnlich hoch gelegen. Das ist eine landwirtschaftliche Kooperative, die von einer christlichen Sekte betrieben wird. Entlang der Schotterpiste dorthin kann man kann man jeden Kilomenter auf großen Schildern ein anderes Bibelzitat lesen. Arbeit, Arbeit und nochmal Arbeit ist die Devise dieser Kooperative entsprechend der calvinistischen Lehre. Sie stellen Berge von Käse her, den besten in Peru und betreiben einen Zoo mit allen in Peru vorhandenen Wildtieren. Und dann haben sie noch 10000 Pinien gepflanzt auf einer Höhe, auf der in relativer Nähe des Äquators normalerweise nur Gras wächst und machen dicke Geschäfte mit Holz. Die ökologischen Folgen sind bisher nicht ganz klar.

Warum erwähne ich diesen Besuch? Er steht beispielhaft für eine Entwicklung, die ich oft beobachtet habe. Evangelikale Christen gelten als erfolgreich, die meist aus Nordamerika stammenden Sekten bringen von dort viel Geld mit. Sie haben enormen Zulauf, können karitative Programme finanzieren und machen der katholischen Kirche schwer zu schaffen. Der Zulauf verwundert nicht, wenn man sieht, in welchem Elend die Menschen nach wie vor leben. In Cajamarca kann man sie mit Händen greifen, nirgendwo bin ich auf der Reise aggressiver angebettelt worden wie dort. Das Hochland ist insgesamt deutlich ärmer als Lima und der Küstenstreifen. Die Menschen mühen sich ab auf Feldern in extrem steiler Lage auf Höhen über 1000 m oder sie ziehen an die Küste. Viele soziale Experimente sind gescheitert, dem Staat bringt man kein Vertrauen entgegen. Und so haben religiöse Rattenfänger ihre Chance. Ich habe einmal eine fast öffentliche "Bekehrung" von vier Frauen beobachtet, die auf dem Bauch liegend vor einem Prediger in die "Kirche" aufgenommen wurden. Das alles fand statt in einem ehemaligen Supermarkt, jeder der wollte konnte durch die Schaufensterscheiben zusehen. Mich hat die Szene einfach abgestoßen.

Ferrocarril Andino

Zurück in Lima merke ich, wie mir doch die drei Nachtfahrten im Bus in den Knochen stecken. Ich kann zwei Tage im San Antonio Abad relaxen bevor ich zur nächsten Tour in die Anden starte. Ich wollte unbedingt mit der Ferrocarril Central Andino  fahren, bis vor kurzem die höchstgelegene Eisenbahn der Welt. Sie führt von Lima nach Huancayo und überwindet bei einer Länge von nur 320 km eine Höhe von fast 4800 m. Annähernd zehn Jahre lang gab es keinen Passagierbetrieb, seit einem Jahr gibt es wieder einen Zug alle 14 Tage, der fast nur von Touristen genutzt wird. Er braucht bis Huancayo 13 Stunden, der Bus braucht für dieselbe Strecke 8 bis 9 Stunden. 




Die Fahrt war für mich ganz sicher das Highlight in Peru. Die 100jährige Bahn stellt bis heute eine grandiosesten Leistungen im Eisenbahnbau dar. Die Technik der Spitzkehren, mit denen das steile Rimac-Tal überwunden wird, ist einzigartig. Der Zug "schaukelt" sich den Berg hoch, immer vor und zurück, die Steigungen sind trotzdem für eine Bahn enorm. Der Zug ist komfortabel, hat einen Barwagen mit offener Plattform, die Ausblicke sind gewaltig, vom Bus aus wäre das so nicht möglich.

Es war auch eine Krankenschwester an Bord, deren Dienste mehrere Passagiere wegen der Höhenkrankheit auch in Anspruch genommen haben. Der bauliche Zustand der Strecke könnte besser sein, aber das trifft auf fast alle noch befahrenen Strecken in Südamerika zu. Die Eisenbahn wurde überall heruntergewirtschaftet und hat nur noch da Bedeutung, wo das Güterverkehrsaufkommen noch groß genug ist oder wo keine Straße parallel vorhanden ist wie etwa nach Machu Pichu.

Ich kann die Fahrt nach Huancayo wirklich jedem Perutouristen nur wärmstens an Herz legen, auch wenn Huancayo selbst nicht unbedingt sehenswert ist, mit über 500 000 Einwohner fast eine Großstadt. Es lohnt sich, noch ein Stück weiter zu fahren nach Huancavelica, einem kleinen Kurort mit heißen Quellen, einem Termalbad und fast keinem Autoverkehr. Der Besuch lohnt sich, ich hätte dort länger bleiben könne, aber ich hatte mich einem strengen Reiseplan unterworfen. Man kommt dorthin mit einer Schmalspurbahn, auf der wirklich zweimal am Tag ein Zug fährt, der auch von Einheimischen benutzt wird. Es gibt dort keine Straße, die Bahn windet sich in 4 bis 6 Stunden über 120 km in engen Kurven entlang eines Canyons. Der Fluss gehört bereits zu Quellflüssen des Amazonas. Auch diese Fahrt bietet große Landschaftserlebnisse.

7 Stunden, nachdem ich wieder in Lima zurück war, erwartete mich um 4 Uhr morgens ein "transport especial". Er entpuppt sich als schicker schwarzer PKW, der mich mich hoher Geschwindigkeit über die Panamericana nach Süden bringt. Ich war froh, dem Moloch Lima endgültig den Rücken kehren zu können. Überhaupt ist man auf der von mir gewählten Route den Extremen ausgesetzt. Gestern noch im Hochgebirge in einem Zug, der mit 20 bis 30 kmh talwärts schleicht, heute fast auf Meereshöhe in einem japanischen Auto, das mit 150 kmh auf einer Autobahn durch die Wüste fegt. Der Fahrer langweilt sich, er kommt aus Ica, meinen nächsten Reiseziel. Er redet auf Spanisch auf mich ein, mein dürftiges Spanisch wird richtig gefordert und das bei einem kräftigen Schlafdefizit. Er soll mich zunächst nach Paracas bringen, einem Hafenstädtchen, von wo aus um 8 Uhr ein Schnellboot zu den Islas Ballestas startet, einem Naturschutzgebiet mit Millionen von Vögeln, Humboldt-Pinguinen und vor allem großen Seelöwenkolonien.

Pisco und Ica

Vorher wird die Panamericana wieder zu einer normalen Straße, die Mittellinie ist auf einmal merkwürdig verzogen, es gibt große frisch asphaltierte Stellen längs der Mittellinie. Luis, der Fahrer, klärt mich auf: Der Straßenzustand ist Folge des Erdbebens vom vergangenen August, das in dieser Gegend über 200 Menschenleben gefordert und zahlreiche Häuser zerstört hat. In den Ortschaften entlang der Straße, es war mittlerweile hell geworden, sehe ich, dass jedes dritte Haus zerstört ist. Die Menschen leben in Zelten oder haben anstelle der kaputten Mauern Schilfmatten gestellt. Durch Luis flotte Fahrweise haben wir noch Zeit, er bietet mir an einen Umweg über Pisco zu fahren. Den Namen dieser Stadt kennt in Peru aber auch in Chile jeder. Der Pisco Sour gilt als Nationalgetränk der Peruaner. Es ist ein Traubenschnaps vergleichbar einem Grappa, der mit Eiweiß, Zitronensaft, Eis und etwas Tabascosoße gemischt wird. Schmeckt nicht schlecht, ist aber hochprozentig und nicht einfach ein Cocktail.

Der Anblick von Pisco schockiert, das Städtchen, das an einer Flußoase mit ausgedehnten Weinanbau liegt, ist wirklich völlig zerstört. Hier war das Epizentrum des Bebens. Ich habe nur zwei unversehrte Gebäude gesehen, beides Hotels, die in erdbebensicherer Betonbauweise errichtet worden waren. Erdbeben sind in dieser Weltgegend häufig, die Nasca-Platte schiebt sich hier unter die amerikanische Platte. Direkt vor der Küste fällt das Meer auf über 9000 m Tiefe ab, hinter ihr steigen die Anden auf etwa 7000 m an, die Spannungen im Gestein sind enorm, sie entladen sich in Erdbeben. Aber die Folgen der Beben zu minimieren, dass ist eine soziale und ökonomische Angelegenheit. Erdbebensicheres Bauen ist möglich, aber die Masse der Menschen ist zu arm um sich Häuser aus Beton leisten zu können, der ist zu teuer. Wie seit Jahrtausenden bauen sie ebenerdige Häuser aus adobes, die sich schnell errichten lassen und beim nächsten Beben ebenso schnell wieder zusammenfallen. Berge von recycelten Ziegeln aus Trümmerhäusern säumen in Pisco die Straßen. Niemand weiß wann die Menschen wieder in Häusern wohnen werden, sie gehen nicht weg, auf den Trümmergrundstücken stehen Zelte und Schilfmattenhütten.

Mit gemischten Gefühlen bin ich eine dreiviertel Stunde später in einem Schnellboot über den Pazifik gerast zu den Islas Ballestas.  Die Seelöwen und Humboldt-Pinguine konnten nichts dafür, dass ich die naturbegeisterte Euphorie meiner Mitreisenden nach dem Anblick von Pisco nicht teilen konnte. Selbst die Delphine vor dem Hafen oder der Anblick des riesigen Kandelabers, der als Scharrbild die Wüste ziert, haben meine Laune nicht verbessert.

Nach einer weiteren Stunde Fahrt sind wir am Ziel in Ica. Neben der sehr großen Oase Ica mit sehr viel Weinanbau gibt es in Richtung Pazifik ein riesiges Dünenfeld. Mitten in den Dünen liegt Huacachina,  eine sehr kleine Oase mit einem Grundwassersee und reizvollen Hotels und Restaurants. Ich konnte 2 Tage ausspannen, schwimmen gehen, im Sand faulenzen und in den Dünen wandern. Die Pause hatte ich nach den Extremen der letzten Tage wirklich nötig. Sicher ist Huacachina eine Touristenfalle, aber die Hotels sind wirklich mit viel Geschmack und in allen Preisklassen in den Sand gebaut worden, letztlich auch ein peruanisches Extrem.

Nasca

Am nächsten Tag kommt Luis mit einem anderen Auto, zusammen mit einer russischen Familie bringt er mich nach Nasca. Die Stadt selbst ist klein und nichtssagend, kaum ein Tourist bleibt über Nacht. Alle aber machen am Flugplatz Station, wo eine ganze Flotte von 4 oder 6-sitzigen Cessnas darauf warten, sie über eine riesige Pampa zu fliegen, ein völlig trockenes Geröllplateau. Auf diesem Plateau haben vor über 1000 Jahren Menschen der  Nasca Kultur riesige Bilder in die Geröllwüste gescharrt, die nur aus der Luft zu sehen sind. Nur die beiden folgenden Figuren kann man von einem benachbarten Turm aus sehen, der direkt an der Panamericana steht.



Niemand weiß bis heute wie sie das gemacht haben und warum. Die deutsche Forscherin Maria Reiche hat die Linien erkundet, aber eine schlüssige Erklärung hat auch sie nicht gefunden. Vor allem, sie hatten damals keine Flugzeuge, von denen sie aus ihr Werk hätten bestaunen können. Richtig bekannt geworden sind die Linien durch Erich von Dänicken. Er wollte in ihnen unbedingt Zeichen für Außerirdische sehen, vielleicht sogar galaktische Landebahnen. Dem Tourismus hat er durch seine Spinnereien erheblichen Aufwind verschafft. Der Flug selbst ist genauso verwirrend wie die Entstehung der Linien selbst. Das gesamte Plateau ist durchzogen mit diagonalen Linien. Über die berühmten 12 Figuren, auf die man extra hingewiesen wird, fliegt die Maschine jeweils eine Links- und eine Rechtskurve. Die Figuren sind nur schwer auszumachen, ich habe 8 von den 12 entdecken können.

Nasca hat noch eine Nekropole zu bieten. Die Mumien sind gut sichtbar und gut erhalten, aber auch sie sind kein Grund, sich länger als einen Tag dort aufzuhalten. Ich musste immerhin noch 8 Stunden dort warten, bis um 21 Uhr mein Bus nach Cusco abfuhr. Der Bus war, außer zwei jungen blonden Damen und meiner Wenigkeit, mit einer Jugendgruppe aus Lima bevölkert. Natürliche hinderte mich der obligatorische, beschissene Film mal wieder am einschlafen, obwohl ich mir inzwischen tampones für die Ohren gekauft hatte. Als ich gegen halb eins endlich eingeschlafen war, stach mir kurze Zeit später ein sehr vertrauter Geruch in die Nase. Es roch nach einer heißgelaufenen Kupplung und um halb zwei in der Nacht irgendwo in den Bergen gab sie dann endlich ihren Geist auf. Kein Ort in der Nähe, keine Hilfe weit und breit. Aber wieder eine halbe Stunde später kam der nächste Bus von  Cruz del Sur nach Cusco vorbei. Die beiden blonden Damen und ich durften umsteigen, dass Gepäck war selbst zu besorgen. Die Jugendgruppe dürfte die Nacht dort oben verbracht haben.

Cusco

Der Bus ereichte um 13 Uhr Cusco, 500 km in 17 Stunden, für das Null-Flugzeug-Prinzip muss man eben Opfer bringen. Aber die Fahrt ist spätestens nach Sonnenaufgang sehr interessant, die Anden haben hier einen anderen Charakter als entlang der Ferrocarril Central  oder bei Cajamarca. Der Bus muss 3 Quertäler überwinden, die sehr fruchtbar sind und intensiv genutzt werden. In Cusco tauchte dann gleich das nächste Problem auf, wie sollte ich überhaupt zu meinem Hotel kommen, das in einer sehr engen Gasse in der Altstadt liegt.

Reste von Straßenbarrikaden hatten bereits den schweren Bus zu einem Umweg in sein Depot gezwungen. Anschließend war erst der fünfte Taxifahrer bereit, mich zum Hotel zu fahren, die Wege dorthin seien blockiert, sagten die ersten Vier, waren sie aber gar nicht. Am nächsten Tag habe ich herausgefunden, dass sich die Aktionen gegen die Regierung des Präsidenten Garcia richten, den im Hochland fast keiner gewählt hat. Es herauszufinden war schwierig, Touristen gegenüber sind die Einheimischen hier nicht sehr offen, wesentlich weniger zumindest als im Norden. Der Reichtum, sprich Tourismus, ist rund um Cusco geradezu mit Händen zu greifen, aber bei der Masse der Leute kommt sehr wenig davon an. Die Unzufriedenheit ist groß.

Wenn man den Führern in den Stätten der Inka glauben darf, war bei denen früher alles besser. Es ist überhaupt alles Inka hier bis hin zu einer gelblichen, etwas seifig schmeckenden Limonade namens Inca Cola. Ich konnte sehr bald die Redewendung " in Incas times" nicht mehr hören. Die anderen peruanischen Hochkulturen wurden noch nicht mal erwähnt, der unbedarfte Tourist muss glauben, vor Kolumbus habe es nur Inkas gegeben. Nun warum sollte man sie erwähnen, die Inkas haben schließlich das einzige wirkliche präkolumbianische Imperium geschaffen. Überhaupt waren "in Incas times" alle immer lieb und solidarisch zueinander. Die straff organisierte Gesellschaft der Inka sorgte für das Wohl der Untertanen. Bloß wenn man die Regeln, die die Inka dem gemeinen Volk auferlegten (nicht faul sein, nicht lügen, etc.) nicht einhielt, dann landete man schon mal auf dem Gabentisch der Menschenopfer. Eine Lüge des Familienoberhaupts gegenüber der Obrigkeit konnte zur Folge haben, dass seine ganze Familie  ausgerottet wurde.

Die Unzufriedenheit mit den Inka scheint mit ein Grund gewesen zu sein, warum Pizarro und sein kleiner Erobererhaufen so leichtes Spiel hatten, das mächtige Imperium und seine Zivilisation in so kurzer Zeit zu zerstören. Die "primitiven" Mapuche in Chile haben den Spaniern noch drei weitere Jahrhunderte erbitterten Widerstand geleistet. Die Zerstrittenheit der beiden Brüder, die sich nicht einigen konnten, wer der eigentliche Inka sein sollte, hatte bewirkt, dass das Reich faktisch geteilt war. Die Spanier haben erst den einen in Cajamarca entmachtet und umgebracht, bevor sie dann Cusco erobert haben. Ihre Schusswaffen, der Glaube, die weißhäutigen Spanier seien als quasi gottähnliche Wesen gekommen, aber vor allem die mitgebrachten Krankheiten haben der Zivilisation den Rest gegeben. Das armselige heutige Leben der Quechua, dem Volk der Inka, erinnert bis heute an die Niederlage. Aber trotzdem tun sie alles um ihre Sprache und Kultur zu erhalten.

Klar doch, die Inka-Bauten sind gewaltig und imposant. Saksaihuaman oberhalb von Cusco (laut lokalem Führer ausgesprochen wie "sexy woman") bildet den Auftakt der Pilgerreise durch das Inkaland,  Ollantaytambo und Pisac  im sogenannten heiligen Tal der Inka - Valle Sagrado - sind die nächsten Ziele und Machu Pichu sicherlich der Höhepunkt. Aber keine dieser Stätten hat mich vor Begeisterung erstarren lassen und das hat eine klare Ursache: Auch wenn ich natürlich einer von ihnen war, aber der unglaubliche Touristenrummel, Abzocke und überhöhte Preise an jeder Ecke haben mir den Besuch durchaus etwas verleidet. Die meisten Einheimischen haben nichts von dem vielen Geld, dass rund um Cusco gemacht wird und stehen vor den Eingängen der Stätten in Massen Spalier, um Kunsthandwerk zu verkaufen. Die Relation zwischen Anbietern zu Käufern spricht nicht gerade für große Gewinne der Anbieter und irgendwann werden dann halt mal Straßen blockiert.

Damit ich nicht missverstanden werde, sicher ist der Anblick von Machu Pichu grandios, die Anlage auf einer Bergkuppe schon im Regenwald gelegen, ist eines der wichtigsten Baudenkmäler der ganzen Menschheit. Aber auf meine Nachfrage hin haben die Führer vor Ort unumwunden zugegeben, wenn die Besucherzahlen nicht radikal reduziert werden, dann wird Machu Pichu zerstört werden. Schäden in Form von abgesackten Mauern kann man jetzt schon besichtigen. Es waren zu viele Besucher dort, aber man gab mir zu verstehen, ich sei in der Nebensaison angekommen, in der Hauptsaison, dem peruanischen Winter (Juli, August) seien viel mehr Leute da. Der Zugang nach Machu Pichu ist nur mit der Bahn möglich, es sei denn man wandert über den Inca Trail. Es wäre allein über die Kontigentierung des Ticket-Verkaufs möglich, den Zugang zu limitieren, aber dagegen stehen massive Geschäftsinteressen, wobei die einfachen Leute die Krümel vom Kuchen kriegen. Eine Regelung ist nicht in Sicht.

Puno

Die Reise ging weiter mit dem Zug von Cusco nach Puno. Der fährt dreimal die Woche und ist ein sogenannter Luxuszug. "Normale" Züge für die Einheimischen gibt es auf dieser Strecke nicht mehr, Peru fährt Bus. Die Strecke geht über den Altiplano, ist aber landschaftlich nicht so reizvoll wie die Strecke von Lima nach Huancayo. Die Fahrkarte kostet 120 Dollar für die 380 km lange Strecke. Man sitzt in Clubsesseln und der Preis schließt eine üppige 4-Gänge Mahlzeit ein. Ich habe das Zugpersonal für die perfekte Serviceleistung bewundert, denn der Unterbau der Strecke ist schlecht und bei diesem Gerumpel ein Menü mit drei verschiedenen Wahlmöglichkeiten zu servieren, ist wirklich eine Kunst.

Der Zug war vollbesetzt, neben mir wurde ein gehbehinderter sehr lauter Amerikaner in fortgeschrittenem Alter plaziert. Er gehört einem Klub an, in dem man als Mitglied so viele Länder wie möglich bereist haben muss. Mein Tischnachbar hatte mittlerweile 102 "gemacht". Anfangs fand ich seine Äußerungen ganz interessant, z.B.war er der Meinung "America is ruled by Calvinist idiots, one of them is President", aber nach und nach vertrieb er durch seine Lautstärke die um ihn herum Sitzenden in den Barwagen. Spätestens als er für den ganzen Wagon hörbar verkündete, dass Roosevelts größter Fehler im Krieg gewesen sei, mit der Sowjetunion statt mit Hitler-Deutschalnd ein Bündnis geschlossen zu haben, war auch für mich der Barwagen angesagt. 10 Stunden dauert die Fahrt, ein solcher Mensch kann zum Martyrium werden. An erster Stelle hatte allerdings das Zugpersonal unter seinen Tiraden zu leiden, ständig war der Kaffee zu kalt u.s.w. Gott sei Dank habe ich auf der Reise auch sehr nette Amerikaner kennengelernt.

Puno ist der Hauptort auf der peruanischen Seite des Titicaca-Sees, eine kalte Stadt, der Titicaca-See ist majestätisch aber noch kälter. Von dort aus starten Boote zu zwei Höhepunkten jeder Perureise, den schwimmenden Inseln der Uros, sie sprechen Aymara, sowie der Besuch bei den Quechua auf der Isla Taquille, der Insel der strickenden Männer mitten im See gelegen. Die schwimmenden Inseln werden, zumindest wird das behauptet, ganzjährig bewohnt. Sie werden quasi immer wieder neu hergestellt aus Schilf. Man kann dort und auch später auf der bolivianischen Seite auch die Technik des Bootbaus aus Schilf bewundern. Die Inseln liegen in einem Schilfgürtel direkt vor Puno. Eine Art Kanal wird freigehalten für die Schiffe, die auf den See hinaus fahren.

Die  Isla Taquille ist dagegen eine natürliche Insel drei Fahrstunden im See gelegen. Der Hauptort der Insel ist zwar stark kommerzialisiert, jedoch praktizieren die dort lebenden Quechua nicht nur ihr traditionelles Textilhandwerk sondern auch eine Art kooperativen Sozialismus. Fast alle Einnahmen durch die Besucher am Ende eines Tages werden zu gleichen Teilen auf alle Bewohner umgelegt ganz unabhängig davon, wie viel der Einzelne selbst eingenommen hat. Das führt zum Beispiel dazu, dass die kleinen Familienrestaurants des Ortes an jedem Tag das gleiche Menü für alle Gäste anbieten. Meist ist es Regenbogenforelle aus dem See mit fritierten Kartoffeln, Quinoa, Suppe und Obst. Natürlich sind auch die Preise in jedem Restaurant gleich. Strickende Männer gibt es übrigens wirklich. Ich habe den See nochmal besucht auf der bolivianischen Seite. Davon mehr im Bolivien-Kapitel.

Arequipa

Vor meiner Weiterreise nach Bolivien habe ich noch einen ausgedehnten Abstecher nach  Arequipa und zum Colca Canyon unternommen, beide Orte gehören ebenfalls zum Pflichtprogramm einer Peru-Reise. Arequipa liegt ca 5 Busstunden entfernt vom Titicaca-See in Richtung Pazifik. Es ist die zweitgrößte Stadt in Peru. Die parallel zur Straße liegende Bahnlinie wird neben wenigen Güterzügen nur von einem  Charterzug befahren, Minimum 40 Passagiere. Er fährt unregelmäßig und sehr selten. Arequipa ist umgeben von einer Reihe von Vulkanen, einer ist noch aktiv, die anderen schlafen. Die Stadt hat den Beinamen "die Weiße", da sie aus hellem Tuffstein erbaut ist. Die Altstadt gehört zum bedeutensten, was die Kolonialherrschaft der Spanier architektonisch hinterlassen hat. Etwas ganz besonderes ist ein sehr großes Kloster mitten im Zentrum, von diesem aber völlig durch die mächtige Mauer abgeschottet. Das Kloster hat viele Gebäude, eigentlich eine Stadt in der Stadt.

Ich war um 4 Uhr morgens in Puno aufgebrochen, hatte daher schon um 10 Uhr in Arequipa eingecheckt um mich gleich wieder aufs Ohr zu hauen. Nachdem ich etwa 20 Minuten fest geschlafen hatte, bin ich aufgewacht, weil das ganze Zimmer gewackelt hat, etwa 3 Sekunden. Kein Zweifel, das war ein Erdbeben. Ein Blick nach draußen auf das Dach des Nachbarhauses zeigt mir, dass das gewohnte Leben einfach weiter geht. Schäden hatte es nicht gegeben. Später erfahre ich, dass das Zentrum des Bebens ca. 700 km weiter südlich in Chile war. In einer Kleinstadt am Pazifik hatte es einige Zerstörungen und zwei Tote gegeben. Man sagt mir dass Arequipa in einem hochaktiven seismischen Bereich liegt, Wackler der Art wie ich sie mitbekommen habe, gehören dort fast zum Alltag, sie regen niemanden auf.

Weiter,  genauer den halben Weg zurück, geht die Reise in einem Mercedes-Sprinter Bus zum Colca Canyon. Die Reiseorganisation ist an dieser Stelle nicht sehr effizient, man befährt einen Teil der Straße von Arequipa nach Puno viermal. Auf dem Weg zum Canyon, der Heimat des Condors, habe ich zum zweiten Mal eine Höhe von 4800 m passiert. Von der Höhenkrankheit bin ich verschont geblieben, aber die Anstrengung für jeden Meter, den man auf dieser Höhe geht, ist enorm. Die Tour geht wieder talwärts nach Chivay, einem kleinen Städtchen mit einem Termalbad. Chivay ist mit seinen Übernachtungsmöglichkeiten Ausgangsort für alle Touren in den Canyon. Man kann dort auch Wandertouren unternehmen aber die meisten Touren in den Canyon bleiben entlang einer Schotterstraße an den Parkplätzen mit ihren Aussichtspunkten kleben. Immerhin, kurz bevor der Sprinter wieder zurückfährt, lösen sich wirklich zwei Condore von den Felsen. Als ich sie sehe, verstehe ich den Sinn des Wortes "Erhabenheit" besser. Fast zwei Stunden hatte ich bis dahin die Felswände mit dem Glas abgesucht und dann fliegen, besser schweben sie ganz in der Nähe los. Die unendliche Fahrt mit dem Bus hat sich gelohnt.

Zurück in Puno fahre ich am nächsten Tag entlang des Sees mit dem Bus nach Bolivien, genauer nach Copacabana, dem dortigen Touristenzentrum am See. Ich war fünf Wochen in Peru unterwegs, habe annähernd 5000 meist recht mühsame Kilometer zurückgelegt und hatte nicht im mindestens das Gefühl, dass die Zeit lang geworden wäre. Mir kam die Zeit angesichts der Fülle der Eindrücke eher zu kurz vor, dabei war ich noch nicht mal im Amazonas-Gebiet. Es ist nicht "alles Inka" in Peru, die Fülle der Kulturen und Epochen erschlägt einen geradezu. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich phasenweise keine archäologischen Stätten und schon gar keine Kirchen im Mestizen-Barock mehr sehen konnte. Der Rummel um die Inkas ist nervtötend, die Erklärungen unzureichend, aber trotzdem ist ein Besuch Südamerikas ohne Peru wie ein Fenster ohne Glas. Aber jeder sollte sich Zeit nehmen, auf das Flugzeug verzichten und vor allem mit der Ferrocarril Central fahren, die einzige Chance für deren Passagierbetrieb sind eben die Touristen.